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EINSTEINS GEHIRN

ein Kunst am Bau Projekt in Bern, Primarschule Länggasse

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originalgetreue Nachbildung von Einsteins Gehirn in 3-facher Größe in Bronze

Einsteins Gehirn Nina Heinzel Bern
Rede, gehalten zur Eröffnung im August 2014

Liebe Gäste, liebe Lehrerinnen und Lehrer, und vor allem liebe Schülerinnen und Schüler!

 

Ich freue mich sehr, Euch hier alle versammelt zu sehen, denn ich habe mich im letzten Jahr, ganz ohne Euch zu kennen, viel mit Euch beschäftigt.

 

Ich hatte die grosse Ehre als Künstlerin ausgewählt zu werden, Euer Schulhaus um ein Kunstwerk bereichern zu dürfen. Keine leichte Aufgabe, Ihr sollt ja von nun an jeden Tag mit diesem Kunstwerk leben. Welche Verantwortung.

Ich stellte mich also auf Euren Schulhof und dachte nach. Am Gebäude wurde schon gearbeitet, es war teilweise schon verhüllt, alles war im Begriff schöner zu werden. Die Namen der grossen Dichter und Denker guckten noch raus und ich wusste, dass unter dem Dach eine Bibliothek entstehen soll. Das Dach eines Gebäudes ist ja auch immer ein bisschen wie der Kopf, schön also, wenn dort Wissen in Form von Büchern untergebracht wird. Ich wollte der im neuen Glanz erstrahlenden Schule gerne noch ein Schmuckstück hinzufügen. Kein Schmuckstück im klassischen Sinne, Kunst hat immer auch die Aufgabe ein wenig aus der Reihe zu tanzen, und darf keinesfalls einfach nur Dekoration sein. Und trotzdem wäre es schön, der Schule eine Art Krone aufzusetzen, dachte ich.

Dann stellte ich mir vor, wie viele Gedanken Ihr Euch hier alle machen werdet, all das Wissen, das Ihr Euch aneignen werdet in all den Jahren und fand es ganz wunderbar mir vorzustellen, wie Eure Gehirne hier auf Hochtouren arbeiten. Mein Gehirn lief plötzlich auch sehr heiss. Das ist immer ein gutes Zeichen. Ich kenne dieses Gefühl aus dem Ideenfindungsprozess. Es ist, als würden Bauch und Gehirn plötzlich wie von alleine zusammenarbeiten, mir wird ein wenig warm, es gibt ein leichtes Kribbeln im Bauch und auf einmal kommt alles in Gang, die Ideen fliessen wie von alleine. In der Psychologie nennt man das „Flow“, in der Kunst sagt man, die Muse hätte einen geküsst.

 

Also keine Krone, wie Könige sie tragen, auch keine Kugel, wie sie auf Kirchen zu finden sind – aber wie wäre es mit einem Gehirn mittig auf dem Dach Eurer Schule! Und zwar nicht irgendein Gehirn, sondern wenn schon, dann soll es das Gehirn von Albert Einstein sein!

 

Wer von Euch kennt Albert Einstein?

Das dachte ich mir, er ist ja sehr verbunden mit der Stadt Bern. Er hat seine berühmte Relativitätstheorie hier entwickelt: e=mc2. Ganz vereinfacht gesagt geht es hier um Zeit und Raum und Schwerkraft. Dass Raum und Zeit gar nicht so eindeutig sind, wie wir denken, wenn man ganz genau hinschaut. Wenn ein Raumschiff mit Lichtgeschwindigkeit für ein paar Stunden durchs Weltall fliegt, müssten wir auf der Erde ein paar Tage auf die Rückkehr des Raumschiffs warten. Aber noch sind wir nicht soweit, dass wir uns in Lichtgeschwindigkeit bewegen können. Und andererseits überrascht es mich nicht, dass Zeit relativ ist. Manche Schulstunden ziehen sich ewig hin, während zum Beispiel die spannende Kunststunde wie im Fluge vergeht... ich finde es schwer vorstellbar, dass eine Uhr mit ihren 2-3 Zeigern unsere individuelle Zeit messen kann. Sommerferien, die vor einem liegen, kommen einem ganz anders vor, als die 6 Wochen, die hinter einem liegen. Und manchmal schafft man es, ganz im Moment aufzugehen, dann hebt sich die Zeit fast auf.

 

Aber wie sollte ich jetzt an dieses berühmte Gehirn kommen, das sich über all das Gedanken gemacht hatte? Einstein ist seit über 50 Jahren tot. Ich hatte Glück. Eigentlich wollte er am Tag seines Todes verbrannt werden. Doch ein Freund von ihm, Thomas Harvey, der diese Aufgabe hatte und Pathologe war, hatte das Gefühl, das im Namen der Wissenschaft nicht zulassen zu können. Also hat er das Gehirn unerlaubt entnommen und es von allen Seiten fotografiert. Und auch das hat ihm nicht gereicht. Er hat es schlichtweg geklaut, in zwei Einweckgläsern verstaut und hat sich dann auf die Flucht begeben, 40 Jahre lang.

Er wurde langsam alt und noch immer trug er das Gehirn seines alten Freundes bei sich, ohne, dass es einen rechten Zweck erfüllt hätte. Mit 85 Jahren beschloss er, das Gehirn an Einsteins Enkelin zurückzugeben. Die wusste auch nicht, wohin mit Opas Gehirn und hat es einem Museum in Chicago zur Verfügung gestellt. Das war erst vor ein paar Jahren. Die Wissenschaftler der Welt waren mordsgespannt. Einsteins Gehirn, das war eine Sensation! Endlich würde man das Geheimnis seiner Genialität lüften können! Es kursierten viele Gerüchte um das Gehirn: kugelrund solle es sein und riesengross. Doch sie wurden enttäuscht. Es war ein Gehirn wie jedes andere.

Ich dagegen finde das grossartig! Grosse Wissenschaft und grosse Kunst tragen ein Geheimnis in sich, das sich nicht lüften lässt, schon gar nicht mit einem Skalpell. Meiner Meinung nach hat Thomas Harvey Einsteins Gehirn all die Jahre gar nicht für die Wissenschaft aufbewahrt, sondern für die Kunst! Für mich also- und für Euch.

 

Auch dem Gehirn auf dem Dach sieht man nicht an, dass es das berühmte Gehirn von Albert Einstein ist. Man muss es wissen. Ohne dieses Wissen ist es einfach ein Gehirn, aber mit dem Hintergrundwissen wird es eine spannende Geschichte. Ich habe sie Euch heute erzählt und von nun an ist es Eure Geschichte, Ihr könnt sie den Schülern, die in den nächsten Jahren kommen, weiterzählen.

 

Ich präsentiere Euch heute eine Originalnachbildung des Einsteingehirns in 3-facher Grösse in Bronze gegossen. Es ist die bisher weltweit einzige Nachbildung des Einsteingehirns und ich bin sehr froh und stolz, sie auf das Dach Eurer Schule setzen zu dürfen!

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einsteins gehirn hinten kunstguss Nina Heinzel
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